Am Mittwochmorgen hiess es für uns schweren Herzens Abschiednehmen von Rio de Janeiro. Am frühen Morgen machten wir uns auf zum Aeroporto Santos Dumont, welcher uns bereits kurz nach Ankunft in Rio zu begeistern vermochte. Entgegen dem grössten und wichtigsten Flughafen Rios, dem Antônio Carlos Jobim Aeroporto, liegt dieser vergleichsweise kleine Flughafen in unmittelbarer Nähe der Innenstadt. Von unserem Hotel aus konnten wir fasziniert beobachten, wie die ankommenden Flugzeuge bei ihrem Landeanflug direkt auf den Zuckerhut zusteuern und unmittelbar vor dem befürchteten Zusammenstoss stark abdrehen und direkt zur Landung ansetzen. Am Flughafen angekommen hiess es nach dem Check-in Wartezeit auf den den leicht verspäteten Flug zu überbrücken, bevor wir beim Boarding etwas überrascht feststellen mussten, dass uns nur zwei weitere Personen zum Flugzeug begleiteten. Doch statt eines Fluges in gemütlicher Viersamkeit erwartete uns ein bereits fast volles Flugzeug, welches den Flughafen wohl nur kurz ansteuerte, um uns vier aufzuladen und anschliessend den Flug nach Navegantes fortzusetzen. Nach dem unserer Meinung nach ereignislosen Flug wollten wir uns schon die Rucksäcke schnappen und nach Blumenau aufbrechen, bevor wir irgendwie das Gefühl hatten, dass der auf portugiesisch gesprochene Inhalt der Mitteilung des Flughafenmitarbeiters allenfalls doch von Bedeutung sein könnnte, was dann auch wirklich so war. Der freundliche Herr teilte uns in sowas ähnlichem wie Englisch mit, dass wir nicht in Navegantes sondern in Curitba gelandet sind und wir mit unserem Gepäck in die nächste Etage gehen sollen, wo Busse mit dem Ziel Navegantes auf uns warten sollen. In Tat und Wahrheit warteten dann wir auf diese Busse und bekamen dann immerhin mitgeteilt, wie lange die Fahrt ungefähr dauern würde und – was uns besonders freute – dort weitere Busse für die Fahrt nach Blumenau bereitstehen würden. Dies kam uns eigentlich ganz gelegen, denn für diese Strecke hätten wir sowieso noch eine Mitfahrgelegenheit organisieren müssen. Irgendwann kamen die Busse dann wirklich wie versprochen und wir wurden mit Pommes Chips verpflegt. Spätestens in diesem Moment waren sämtliche Unannehmlichkeiten verziehen, denn wie kann man ernsthaft sauer auf eine Fluggesellschaft sein, die Pommes Chips verteilt? Nach gesamthaft rund vier Stunden Fahrzeit erreichten wir um ca. 19 Uhr Blumenau, wo wir schnurstracks ins Hotel steuerten, unsere schönsten Schuhe anzogen (ok, die Auswahl ist eher beschränkt) und uns aufmachten in Richtung Vila Germanica, wo der eigentliche Grund unseres Blumenau-Besuchs über die Bühne gehen sollte.
Vermutlich hat jeder von uns eine sogenannte “bucket list”, also eine Sammlung von Sachen, die man im Leben noch machen möchte, bevor es – die Eventualität der Wiedergeburt mal ausgeschlossen – dafür zu spät ist. Ob diese Liste nun effektiv physisch besteht oder nur wage im persönlichen Erinnerungszentrum gespeichert ist, spielt keine Rolle. Wer wie wir für mehrere Monate auf Reisen geht, möchte diese Zeit natürlich auch dazu nutzen, ein paar Punkte dieser Liste erfolgreich streichen zu können. Nun gut, zu unserer Schande müssen wir festhalten, dass der Besuch des Oktoberfests in München auf dieser Liste noch nicht als erledigt markiert ist. Da die Anreise nach München noch zeitaufwändiger wäre als nach Blumenau – wenn auch nur knapp – und die Münchner ihrer Festzelte sowieso bereits abgeräumt haben, entschieden wir uns für die Brasilianische Variante der Wiesn. Wer nun glaubt, dass es sich hier um ein kleines Fest in einer Brasilianischen Kneipe handelt, täuscht sich. Das Oktoberfest Blumenau ist nach dem Karneval in Rio das zweitgrösste Volksfest Brasiliens und lockt jährlich rund 600’000 Besucher an. Ursprünglich wurde das Oktoberfest in Blumenau 1984 ins Leben gerufen, um Geld für die Behebung von durch Überschwemmungen in den Jahren 1983 und 1984 entstandenen Schäden zu sammeln. Doch dass die Wahl auf ein Oktoberfest und nicht auf einen sonstigen Anlass gefallen ist, kommt nicht von ungefähr sondern ist mit der Geschichte Blumenaus zu begründen. Die Stadt wurde ursprünglich von Deutschen Einwanderern gegründet, deren Einfluss sich heute noch deutlich im Stadtbild zeigt. Und auch die Freude am Bier haben die Deutschen mit nach Blumenau genommen, weshalb die Stadt schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Bierkultur pflegt und einige kleine Brauereien beherbergt.
Auch wenn wir wussten, dass es sich bei diesem Oktoberfest um einen Grossanlass handelt, staunten wir nicht schlecht, als wir in der Vila Germanica eintrafen. Uns erwartete ein kleines Dorf, in welchem man sich wirklich im Freistaat Bayern wähnte. Die Haupthalle, in welcher Deutsche und Brasilianische Musikgruppen auftreten, ist umgeben von kleineren Gebäuden, in welchen Bier, Essen und Souveniers verkauft werden. Achterbahnen werden an kleinen Ständen simuliert und von überallher dröhnt typische Oktoberfest-Musik aus den Boxen, bei welcher die Texte teilweise auch auf portugiesisch gesungen werden. Auch wenn sehr viel an das Original aus Deutschland erinnert, mischt sich doch auch der Brasilianische Einfluss ein. So werden Spätzle beispielsweise mit Brasilianischen Wurststücken serviert und nebst dem Bier der lokalen Brauerein kann man sich auch einen Caipirinha gönnen. Doch die Brasilianer bemühen sich wirklich, dem Münchner Oktoberfest so nahe wie möglich zu kommen; Nicht nur, dass ein Grossteil der Festbesucher in Dirndl und Lederhosen gekleidet ist, auch teilweise weiss geschminkte Haut soll an Deutschland erinnern, was dann allerdings doch etwas zuviel des Guten ist. Schade ist eigentlich nur, dass das Bier – welches übrigens grossartig schmeckt – nicht im Mass, sondern in 4dl Plastikbechern ausgeschenkt wird.
Lustig sind hingegen die Brasilianischen Bands, welche ihre Lieder auf Deutsch zum besten geben, jedoch nicht immer die richtigen Wörter finden. So schwimmt, schwimmt, schwimmt der eine eine Sänger wie ein Flieger. Naja, das gab es ja z.B. im Hudson River auch schon. Wir amüsierten uns an diesem Oktoberfest köstlich, gönnten uns das ein oder andere Bierchen und unterhielten uns an den Festbänken mit einheimischen Festbesuchern, die uns einiges über das Fest, die Stadt und das Land erzählen konnten. Das Fest war ein grosser Spass und für einen Mittwoch sehr gut besucht, so richtig abgefeiert wird allerdings vorallem am Wochenende.
Heute zogen wir – die Hälfte unserer Reisegruppe etwas verkatert – durch Blumenau und besichtigten die Stadt, wo sich die andere Hälfte der Reisegruppe nochmals ein Bierchen gönnte und diesen Bericht verfasst. Am Abend geht es dann per Nachtbus nach Foz do Iguaçu zu den berühmten Wasserfällen.
Gruss aus dem Deutschland Brasiliens
Steffi und Michi
Sehr schön geschrieben. In Brasilien ist es wirklich so, dass die Flugzeuge mehrere Flughäfen ansteuern, habe ich letztes Jahr auch erlebt an der WM. Gniessets noh ??